Donnerstag, 20. August 2009

Zivi-Tagebuch 18.08.09

Dieser Dienstag war der neunte von zehn Arbeitstagen am Stück und in mir regte sich langsam das Bedürfnis nach Wochenende und ein wenig Freizeit. Dieser Tag war eigentlich nicht besonders außergewöhnlich, ich versuchte ihn einfach so schnell und so locker wie möglich rumzukriegen.

Der eindeutige Höhepunkt war aber Waldis und mein Ausflug in die Tagespflege. Hier befinden sich die Leute, die wir morgens holen und nachmittags wieder nach Hause bringen. Da wir auch in diesem Bereich ein wenig eingearbeitet werden sollten, hatte man uns gesagt in Zukunft zwischendurch mal dort vorbeizugucken. Diese Aufgabe sollte sich als sehr sinnfrei erweisen, da wir schnell realisierten, was hier unten wirklich passierte: Nichts. Ich habe nie eine derart entspannte Arbeitsatmosphäre gesehen, wobei Arbeitsatmosphäre das falsche Wort ist.  Schlichtweg Atmosphäre würde es wohl besser treffen. Dort gab es einfach so dermaßen wenig zu tun, dass ich mich ernsthaft fragte, welcher Mensch offenbar so sehr von psychedelischen Drogen beeinflusst wurde, dass er uns als Verstärkung dort hinunterschickte. Wie auch immer.... Über einen alten Bekannten freute ich mich besonders. Dass sich diese Freude allerdings nur auf eine der zwei Seiten beschränkte wurde mir klar, als die Bekanntschaft anbot mir ihren Kuchen an den Kopf zu werfen. Ihr ahnt es sicherlich schon, ich spreche von Herrn B.
Provokant wie eh und je und besonders ausdauernd darin, wenn es darum geht mich dämlich anzustarren. Ein überdimensional breites Grinsen mit den Worten "Lassen sie sich ihren Kuchen schmecken Herr B.!" war seiner guten Laune nicht gerade dienlich, eher der schlechten. 

Herzhaft lachen konnte ich, als ich Frau S. ihren Kaffee eingoss. Diese Frau griff ohne zu zögern zu dem Apfelsaft und schenkt ein. Oder besser "schenkte hinzu". Nämlich zu ihrem Kaffee. Mir viel es schwer mich zu beherrschen und als ich den Tränen nahe war, fragte ich sie wieso sie sich ihren Kaffee denn mit Apfelsaft verfeinern würde. Sie brabbelte etwas nur halb Verständliches, aber ein "Hab ich immer so gemacht" war definitiv dabei. Den folgenden kurzen Plausch hielt ich mit einem der Azubis, der im Büro saß und sinnlos, aber dafür extrem langsam, auf irgendeiner Kurve auf dem Bildschirm herumklickte:

Staddicc: "Sag mal, trinkt Frau S. ihren Kaffee immer mit Apfelsaft?"
Er: "Ne, sonst eigentlich nicht."
"Dann wird sie das wohl mit Milch verwechselt haben. Sie meinte, sie hätte ihren Kaffee ihr ganzes Leben so getrunken."

In diesen eineinhalb Stunden in der Tagespflege traf ich auf einen Extremfall, der mich besonders beeindruckte. Ich bin nicht vom Fach, aber bei Frau R. ist dement wohl nicht mehr der richtige Ausdruck. Meine laienhafte Diagnose ging eher in die Richtung "Total durch". Ich war mit Frau R. in einem Nebenzimmer, damit sie die anderen nicht nervt. Meine Aufgabe bestand darin mich hinzusetzen und ein Auge auf sie zu haben. Dieser Mensch ist in der Tagespflege mit Sicherheit nicht richtig aufgehoben. Eine geschlossene Anstalt wäre wohl der richtigere Ort, denn Frau R. tut nichts anderes als im Zimmer hin- und herzugehen, hier und da mal an der Gardine rumzuzupfen, die meiste Zeit zu grinsen und dabei irgendwas zu brabbeln und zwischendurch ein "Ja ja... Haha! Ja ja ja...Haa" von sich zu geben. Sehr krass!

Apropos "ja ja". Die gleiche grundsätzlich Alles-annehmende Haltung hat auch Frau A. Allerdings gibt Frau A. ihr "Ja"s nur von sich, wenn sie angesprochen wird. Als Low und ich sie nachmittags allerdings nach Hause brachten haben wir wohl irgendwas in ihrem Kopf kaputtgemacht. Es war wie eine CD, die einen Sprung hat und bei der sich immer die gleiche Stelle wiederholt. "Ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja..." und so weiter. Zugegeben, vielleicht war das neue KIZ-Album, das aus den Lautsprechern dröhnte etwas zu viel für sie, aber wir hatten das Glück, dass sie sich bald wieder beruhigte und ihrer Lieblingsbeschäftigung nachging. Leute, die auf dem Bürgersteig vorbeiliefen zu begrüßen. Sie ruft dann permanent irgendwelchen Menschen "Hallo!?" (manchmal auch "Hallo? Ja...") zu. Normalerweise ergänzt sie ihre Begrüßungseinlagen noch damit an die Scheibe zu klopfen. Die verwirrten Gesichter der Leute sind dann immer unbeschreiblich. An diesem Tag allerdings saß sie in der Mitte der Reihe und hatte keine Möglichkeit die Aufmerksamkeit der Umwelt außerhalb des Autos tatsächlich aus sich zu lenken. Ich frage mich, ob sie früher schon so egozentrisch war... 

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