Sonntag, 16. August 2009

Zivi-Tagebuch 10.08 bis 16.-08.-09 - Eine Achterbahnfahrt der Gefühle...

...allerdings ohne richtige Höhepunkte. Meine zweite Woche als Zivildienstleistender war äußerst aufschlussreich. Nicht nur dank der Tatsache, dass ich jetzt weiß wie scheiße es ist am Wochenende arbeiten zu müssen, wenn alle anderen feiern.

Die Woche in Kurzform: Ein Hin und Her zwischen "Ist ja ganz chillig, nur etwas langweilig", "Die Pausen sind echt noch am besten..." und "Ich hab kein Bock mehr auf diese stumpfe Scheiße. Ich werde ausgebeutet bis auf´s Blut für einen kack Hungerlohn. Außer mir chillt hier doch jeder!!"

Nun die etwas ausführlichere Version: Die anfangs erwähnten Höhepunkte, die es nicht wirklich gab, waren solche kurzen, witzigen Momente die einem das Leben versüßen. Wie zum Beispiel die Angewohnheit alter Leute ihrem Körpergashaushalt freien Lauf zu lassen. Zum Beispiel einige Herren, die ich nachmittags nach Hause fahre... Ich bringe sie gerade noch zur Haustür, auf einmal höre ich hinter mir ein dumpfes "Pfffff" oder auch andere wesentlich deutlichere und vor allem lautere Furzgeräusche, die sich jetzt leider in keinerlei Buchstabenkombinationen zitieren lassen. Zugegeben, "versüßt"wird einem das Leben hierdurch nicht im klassischen Sinne... Versalzen oder überwürzt wäre wohl passender.

Eine andere Sache, die mir gehörig auf den Sack geht ist Herr B.

 Herr B. ist irgendwas zwischen Arthur Spooner und einem billigen Robert DeNiro-Fake, mit den Charakterzügen eines Major Payne. Was die Autofahrten angeht ist Herr B. ein sehr spezieller Typus. Herr B. genießt es sichtlich, wenn man ihm den Respekt erweist und ihm die Autotür aufmacht (Was allerdings bei praktisch jedem der Gäste unerlässlich ist... außer ihm). Ein weiterer nennenswerter Punkt ist, dass es Herr B. bevorzugt vorne zu sitzen. Und hier kommen Waldi und Ich ins Spiel. Wir waren eines Montag morgens unterwegs um die Tagesgäste von zu Hause abzuholen, zu denen Herr B. auch gehört. Als erstes luden wir Frau S. ein. Eine kleine, dicke aber witzige Frau. Sie saß hinten, nun kam Herr B. an die Reihe. Als wir ihn von der Wohnung abholten und zum Auto geleiteten versuchte sich Waldi an etwas Smalltalk mit ihm. Ein schlechte Idee, wie sich innerhalb der nächsten 90 Sekunden rausstellen sollte.

Eine Frau geht an ihnen vorbei:

"Die war hübsch. Finden sie nicht auch Herr B.?"

"Sach ich dir nich... geht dich gar nix an!"

Waldi nun ein wenig reserviert: "Hmm, war denn wenigstens ihr Wochenende schön?"

"Sach ich dir auch nich, geht dich auch nix an!! Is Privatsphäre, wer dummen Fragen stellt kriecht auch dumme Antworten."

Das er letztlich wieder aus dem Wagen ausgestiegen ist und schnurstracks zurück zu seiner Wohnung marschierte, wird wohl zum einen aus Waldis unerhört flegelhafter Aufdringlichkeit resultieren, als auch daher, dass er hinten neben Frau S. Platz nehmen sollte und es ihm so natürlich praktisch unmöglich war, an den Anschnallgurt zu kommen. Als ob ich mich für einen alten, komplexbehafteten Kauz, der sich verhält als hätte er kein Geld mehr für sein Vigra, nach hinten setzen würde... pff!

Übrigens ein weiterer Charakterzug Herrn B.s. Ich bin überzeugt, dass seine Libido tatsächlich irgendwo gefesselt, geknebelt und erbärmlich wimmernd in einem Kellerloch verscharrt ist, aber er verhält sich wie ein Vierzehnjähriger. Er geiert praktisch jede Frau an, die er aus dem Fahrzeug erpähen kann, unabhängig von Alter und körperlicher Beschaffenheit. So auch die Haushaltshilfe Her K.s, eines anderen Tagesgastes. Sie fuhr auf einem Fahrrad an uns vorbei, da sagt Herr B. zu Hern K.: "Is aber auch nen lecker Mädchen, ne!" Genaugenommen war es eine dicke Planschkuh, bei der ich mich gefragt habe wie viel Bar Druck wohl auf die Fahrradreifen gepumpt werden müsse. Aber Her B. wäre nicht Herr B. wenn er es bei realen Frauen belassen würde. Nein, vielleicht irgendjemand, aber doch nicht Herr B.! Herr B. ergötzt sich auch an Plakaten, die in einer Bahnhofsunterführung  hängen und für irgendeine Party werben. Auf diesen Plakaten war nämlich irgendeine Schlampe abgebildet, die ihre in einen viel zu kleinen, schwarzen BH gezwängten Titten in die Kamera hielt. "Das is doch mal nen lecker Mädchen, noch mit nem schönen Büstenhalter dazu. Da kommt Freude auf." Grund genug zum sabbern, oder?

Ja der Herr B. ist schon so eine Marke. Aber ich habe mittlerweile die außergewöhnliche Ehre, dass er es bei mir nicht mehr für angebracht hält vorne zu sitzen. Bei Subjekten, die seine heilige Dreifaltigkeit nicht mehr mit Freue erfüllen und seine Missgunst verdient haben, zieht Herr B. es vor freiwillig hinten zu sitzen! Dieses außerordentliche, diabolische Wunder konnte ich dadurch vollbringen, dass ich gesündigt habe:

"Na, weißte denn auch wo der nächste Second-Hand-Laden ist?"

"Nein Herr B., wieso?"

"Na damit du dir ma neue Puschen kaufen kannst. HA! Da guck sich mal einer diese Treter an, nennst du das Schuhe? Haha!!"

"Mensch Herr B., ich bin ein armer Zivi. Wenn man sich seine Schuhe im Second-Hand-Laden nicht einmal kaufen kann, sondern klauen muss, hat man leider nicht immer die größte Auswahl."

Der weitere Verlauf des Gesprächs war, ob ich denn schonmal bei der Bundeswehr war (Ich wollte ihm die Umstände meiner Arbeit dort dann nicht auch noch erklären), dort würde man uns schon die Eier kleinhauen. Eine harte Sau wie Her B. war  natürlich ganze 4 Jahre, in der Zeit von 1959 bis 1963, bei der Bundeswehr. Nicht nötig zu erwähnen, was für eine wahnsinnige Institution die Bundeswehr zu dieser Zeit war.

Aber der Höhepunkt mit Herr B. war bisher wirklich, als er auf einer Rückfahrt, nun natürlich von der Rückbank aus, ein wahres Gewitter an Schimpfwörtern auf mich niederprasseln ließ. Unglaublich, was für einen weit gefassten Sprachgebrauch dieser Mann hat. Hier nur ein paar Ausschnitte, die sich aber häufig wiederholten.

"Das Arschloch da vorne..."

"Alter Drecksack da..."

"So´n Wichser!"

Man muss ihm allerdings zu Gute halten, dass Herr B. das sporadische "Diese kleinen Pimpfe hier..." wohl mehr an das zivildienstleistende Kollektiv richtete und weniger an mich persönlich. Das freut mich immens.

Nun zu den buchstäblich beschissenen Arbeiten. In meinem letzten Bericht habe ich bereits kurz den Mülldienst erwähnt.... Der ist wirklich Kacke! Man muss mit einem Wagen von Haus zu Haus gehen und die Müllsäcke mit den vollgeschissenen Windeln (Ich habe sie liebevoll "Scheißebomben" getauft) einsammeln und zur Mulde bringen, wo sie entsorgt werden. Eine echte Drecksarbeit, doch damit nicht genug. Die so genannten "Schweineeimer" müssen ja auch entsorgt werden. Diese Eimer enthalten all das, was die alten Leute nicht gegessen haben. Klingt nicht so schlimm, ist es aber! Du kannst dir nicht vorstellen, wie ekelhaft dieser Mist mieft, vor allem aber der Raum, in dem die Tonnen stehen, in die das ganze Zeug reinkommt. Wunderschöner Sommer, Mittag, 27 Grad... Herrlich!

Und dann diese Fahrten mit dem Küchenbulli. Es werden zunächst alle Essensbehälter, die auch zu anderen wohltätigen Häußern gebracht werden eingeladen und anschließend ausgefahren. LANGSAM ausgefahren. Schließlich soll das ganze Zeug nicht durchs Auto fliegen. Und das langsam fahren ist nicht gerade eine meiner größten Stärken, was wohl auch der Grund der rundwar, als in einer Kurve ein Eimer mit Kaltgetränk umgeflogen ist. Aber hey, kein Problem... dank meines Charmes konnte ich die auswärtigen Küchenfrauen darüber ganz schnell hinwegsehenlassen, und zwar in Richtung meines knackigen Hinterns.

Wieder zurück werden natürlich erstmal die ganzen leeren Boxen, die ich mitbenommen habe ausgeräumt und auf irgendwelche Schiebewagen geladen. Und nun kommt der schönste Teil: Ich muss jeden Wagen einzeln in den Aufzug stellen, nach unten zur Küche fahren, runterhechten,  den Wagen aus dem Aufzug holen, den Aufzug wieder hochfahren, den Wagen wegstellen, wieder hochhechten und das ganze geht von vorne los. Nein, es ist nicht so kompliziert wie es beim lesen jetzt vielleicht den Eindruck macht, aber ich wette du bist trotzdem nicht mitgekommen!? Du kannst dir vermutlich vorstellen, dass das ganze höllisch Spass macht.

Der Wochenenddienst hingegen war relativ entspannend, zwar standen auch die üblichen Arbeiten an wie sonst, aber es ich teilte sie mir mit einem anderen Zivi. Ich freue mich jetzt schon, wenn ich das  alles endlich alleine machen kann. JIIHAAA! Und so vertrieb ich mir die Zeit damit die alten Leute zum trinken zu motivieren oder zu füttern... Pardon, ihnen das Essen anzureichen. Ersteres war natürlich bei einer Person überhauptkein Problem, Frau L.! Genau, Frau L. ist die 68er Kampftrinkweltmeisterin aus dem letzten Zivildienstpost.

Zwischendurch fragte ich mich wirklich, wie es mir nur möglich sei, meine Zeit dort anders zu gestalten oder sogar zu verkürzen. Ich könnte zum Beispiel das Stammhaus wechseln, aber dort würde ich den ganzen Tag nur füt... Essen anfütt... Verdammt! Ihr wisst, was ich meine.

So wird es wenigstens nicht langweilig und ich bin erstaunt, an was man sich nicht alles gewöhnen kann. Obwohl ich zugeben muss, dass es mich gehörig nervt, den Dingen, denen ich sonst in meiner Freizeit nachgegangen bin, nicht mehr so viel Zeit widmen kann wie ich mir wünschen würde. Das liegt auch an den Überstunden, die ich ständig machen muss, wenn die Tagesgäste nach Hause gefahren werden. Dank diesen zahllosen Gammelfleischtransporten ist es praktisch unmöglich pünktlich um halb 5 wieder da zu sein. Aber was soll´s, so sammel ich wenigstens Überstunden, die aufaddiert werden und für die ich irgendwann frei bekomme. Wenn ich sie bis zum Schluss aufspare und ich keinen Urlaub nehme, werde ich problemlos einen guten Monat früher aufhören können. So wird es allerdings nicht kommen, da es schließlich noch andere Sachen gibt, die erlebt und anschließend auf diesem Blog veröffentlicht werden wollen.

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