Sonntag, 4. April 2010

Zivi-Tagebuch 4.04.10 - Wenn ein Zivi am Horizont verschwindet...

Das war´s. Meine Zeit als praktizierender Zivi ist gelaufen. Ich werde nie wieder diesen Küchenbulli fahren, nie wieder Müllsäcke schleppen. Nie wieder die Schwestern und Küchenfrauen in den Wahnsinn treiben... Moment, da muss ich mir eine einsame Träne von der Wange wischen... So. Nie wieder zwischen den zwei Stühlen der herzzerreißenden Entscheidung sitzen, ob ich mich schlafen lege oder mich lieber zum Lesen in eine einsame Ecke verziehe. All das wird mir in Zukunft sicher nicht fehlen. Keine einzige Sekunde. 

Jetzt mal im Ernst: Ich bin mir ziemlich sicher, dass meine Zeit als Zivi ohne tiefere Spuren an mir vorbeigegangen ist. Ich habe definitiv schon einschneidendere Erfahrungen gemacht. Ich weiß noch, damals im Zeltlager mit dieser rassigen Betreuerin... Ähh, zurück zum Thema. 
Aber ein Schicksalhaftes Ereignis ist wohl bezeichnende dafür, mein Zivildienst zumindest irgendwie abgestumpft hat, was meinen kreativen Geist angeht. Die armen Irren unter Euch, die diesen Blog mehr oder weniger erfolgreich als Bildzeitungsersatz genutzt haben, werden in einem meiner früheren Einträge gelesen haben, wie ich das erste Mal in die Tagespflege beordert wurde. Mir wurde die ehrenvolle Aufgabe zu Teil Kaffee auszuschenken, als ich auf einmal aus dem Augenwinkel beobachtete wie Frau S. sich unverständlicherweise Apfelsaft in ihren Kaffee schüttete. 
Und als ich nun neulich an meinem letzten Arbeitstag mit Waldi in der Küche stand und sabbernd meiner letzten Minute als arbeitender Zivi entgegenfieberte, hielt ich es für eine gute Idee einen letzten Kaffee auf Kosten der Dienststelle zu trinken. Und mit was trinkt ein überarbeiteter Zivi, der mit den Gedanken schon im abschließenden Alkoholrausch ist, seinen Kaffee? Richtig, natürlich mit Apfelsaft! Frau S. hat es vorgemacht und diese Prophezeihung hat sich an meinem letzten Tag bei der Arbeit für mich letztendlich noch erfüllt. Das muss ein Zeichen sein! Keine Ahnung was für eins, aber es hat definitiv eine schicksalhafte Bedeutung. 

Um auf den abschließenden Alkoholrausch zurückzukommen: Low, er war bereits einen Tag vorher fertig, Hannibal und NakedDevil warteten bereits in unserer WG auf mich, damit wir auf Lows und meine neu gewonnene Freiheit anstoßen konnten. Einmal, zweimal, dreimal, viermal und noch viele, viele weitere Male die sich über die nächsten dreizehn Stunden hinziehen sollten. 
Als ich hereinkam und meine Siegeszigarre auspackte, stellten die drei gerade die Reparatur des kaputten Bettes in unserem Zimmer fertig. Das Lattenrost war vollkommen zerstört, dadurch dass es mehrere Male immer weiter durchbrach, wenn mal wieder irgendwelche besoffenen Primitivlinge darauf kämpften, ohne zwischendurch wieder zusammengeflickt zu werden. 
Aus dem Radio schallte Wagners Walkürenritt quer durch die ganze Wohnung, während die drei mit nacktem Oberkörper und einigen geöffneten, sowie geleerten Bierflaschen über ihr Werk triumphierten. Ich weiß noch, wie Low in glorreichem Ton zu mir sagte: "So Staddicc, das wäre auch erledigt!" 
"Coole Sache, aber passt auf, dass es nicht gleich wieder Kaputt geht." Ich kenne ja meine Leute... 
"Quatsch, das hält besser als vorher." Wie sich bald herausstellen sollte, kenne ich sie wirklich gut. Es dauerte nämlich nicht lange, da sprang NakedDevil in einem leichten Anfall seines freudigen Wahnsinns schreiend auf dem Bett herum. Es war eine Sache von knappen zwei Sekunden, da war das Lattenrost wieder durch. Seitdem haben wir uns nicht mehr damit befasst. Erstmal wurde genug gearbeitet, nun war es Zeit für wichtigere Dinge. 
Es ging also ein Bier nach dem anderen weg und die Bude wurde langsam voller. Ich weiß nicht mehr, wann und wer auf die Idee kam die Windeln anzuziehen. Low hatte sie an seinem letzten Tag noch geklaut hat um seinen finalen Coup noch real zu machen. Aber schließlich saßen wir alle, wir waren immerhin sieben Kerle, in Windeln auf unserer Spielwiese. Es kam wie es kommen musste: Einer, den ich hier nicht nennen möchte, ließ sich die Erfahrung nicht entgehen. Welche Erfahrung? Sagen wir mal, er stand mit Windel in der Dusche und sagte Folgendes...
"Seid mal still, ich muss mich hier konzentrieren. Ah jetzt! Es kommt... Oh, es wird übelst warm. Und sie wird ziemlich schwer. Ich hab das Gefühl, sie hängt immer weiter runter. Seht ihr irgendwo einen gelben Fleck?"
Dazu bitte keine weiteren Fragen... 
Es war dann noch ein sehr chaotischer Abend mit abartigen Details, an denen nicht selten NakedDevil beteiligt war. Ein Höhepunkt der Perversion zivildienstlicher Antikultur. Und das, obwohl NakedDevil beim Bund ist. Oder wahrscheinlich gerade deswegen. Stellt euch einen Typ in Polohemd und Windel vor, der sich mit dem Akkuschrauber in der Windel rumbohrt. Zum Glück seiner zukünftigen Kinder ohne ihn einzuschalten. 
Abends zog es uns schließlich in eine kleine Kneipe in der Stadt. Es war eine dieser Kneipen, die... Scheiße, ich will jetzt nicht mit den Bezeichnungen einer Klassengesellschaft kommen. Sagen wir einfach eine Kneipe, die verstärkt von gewissen Kreisen von Leuten genutzt wird. Der Art von Leuten, die morgens um 8 Uhr davor stehen und warten, dass der Wirt endlich aufschließt.
Und das haben wir dem Laden, dem Besitzer und den Gästen eindeutig angemerkt. Es war ziemlich offensichtlich, dass wir die resignierte Stille, die normalerweise in derartigen Siffbuden herrscht, störten und daher eher unerwünscht waren. 
Da war es nicht gerade von Vorteil, dass ich auf dem viel zu kleinen Scheißhaus eine halb volle Bierflasche auf den Boden schmiss und die Scherben mit dem Fuss nur notdürftig in einer Ecke zusammenschob. Erstaunlicherweise wurden wir nicht direkt rausgeschmissen, ich musste es nur wegmachen. Albern wurde der Besitzer erst 5 Minuten später, als wir alle friedlich unser Bier tranken: "Also meine Gäste meinten, einer von Euch hätte auf dem Klo den Hahn von der Spühlung abgerissen. Entweder derjenige sagt, dass er es war und wir klären das jetzt oder ich rufe die Polizei." 
"Ähh, was?? Naja, dann rufen Sie bitte erstmal die Polizei." Daraufhin hat er ein wenig verwirrt auf seinem Handy rumgedrückt, die Polizei musste zu uns aber in dieser Nacht nicht mehr kommen. "Tja, ich kann es euch leider nicht nachweisen. Aber wenn einer meiner Gäste sagt, ihr ward das, dann kann ich mich darauf verlassen!" Mensch Kumpel, hast du schonmal daran gedacht, dass die Haufen menschlicher Existenz, die du "Gäste" nennst, seit wahrscheinlich 5 Wochen alles doppelt sehen und nicht mehr wissen, wie ihre Wohnung aussieht?? 
Ab diesem Zeitpunkt fängt meine Erinnerung an sich zu verdunkeln. Low und ich waren noch in zwei weiteren Bars und haben dauernd mit zwei Engländern gequatscht, die seltsamerweise immer genau da waren, wo wir auch waren. Schließlich zwischen 4 und 5 Uhr morgens trafen wir auch wieder in der WG ein. Low und ich hatten ziemlich Hunger und freuten uns wie Schulkinder auf Lows Tiefkühlpizza. So lange bis wir in den Kühlschrank schauten und nur Bier vorfanden. NekdDevil und Hanniball, die schon vor uns nach Hause gegangen sind haben sich unverschämter Weise über die Pizza her gemacht. Das war ein gewaltiger Fehler, denn damit haben sie Low an seinem persönlichstem Punkt erwischt. Diesem Typ kann man in die Eier treten oder seine Mutter beleidigen, aber wenn man ihm sein Essen wegnimmt wird er zur trojanischen Ein-Mann-Armee. Er ist wohl amtlich eskaliert, ich habe das seltsamerweise nicht mitbekommen. Ich habe am nächsten Morgen nur die vielen kleinen Glasscherben auf dem Boden gesehen. 
Kurz bevor wir schlafen wollten, standen noch einige seltsame Vögel vor der Tür, die angeblich Freunde von Freunden von uns waren, die wir spontan noch auf eine Afterhour eingeladen hatten. Aber da ich langsam die Fresse von seltsamen Gestalten, die mir auf den Sack gingen, dick hatte, haben ich ihnen eigentlich unmissverständlich klar gemacht, dass sie sich gefälligst verpissen sollten. Ich musste allerdings rausfinden, dass meine Erklärungen weder idiotensicher, und schon gar nicht sicher vor besoffenen Idioten war. Der Typ wollte also einfach reingehen, während ich noch in der Tür stand und so habe ich ihn dezent aber bestimmt zurückgeschoben. Ich war zwar ziemlich besoffen, aber so im Nachhinein würde ich einfach schätzen, dass der Typ wohl etwas stärker war als ich. Er vepasste mir einen ziemlich kräftigen Schubs, den ich abzufangen in meinem Zustand nicht mehr fähig war und landete (wie ich am nächsten morgen spürte und meinem Körper ansah) sehr unsanft auf dem Boden.
Bevor sie Situation richtig eskalieren konnte, kam glücklicherweise Low raus. Mit freiem Oberkörper und seinen geschätzten zwei Meter , Länge UND Breite, und immer noch aggro wegen seiner Pizza, sprang er in einer Bewegung aus der Tür und verpasste dem besoffenen Trottel einen respekteinflößenden Schubser. Der Kerl flog quer über den Parkplatz, woraufhin er und seine Freunde wohl verstanden, dass Typen wie sie bei uns nicht allzu willkommen sind. Ich danke dir, Bro
Am nächsten Morgen wachte ich in dem kaputten Bett auf, schwer verkatert nach einem Saufmarathon über 13 Stunden. Ohne Boxershorts. Keine Sorge, ich hatte immerhin meine Jeans an. 
Ich bin gespannt, wie laut wir diesmal waren und ob es nach den Feiertagen wieder etwas vom Chef zu hören gibt. Er und seine Ermahnungen sind wohl das einzige, was ich wirklich von Herzen vermissen werde.

Ach ja. Ich schätze, das wird noch nicht mein endgültiger Tagebucheintrag sein, also könnt Ihr euch das Feuerwerk und die Jubelschreie vorerst noch sparen. 


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