Samstag, 23. Januar 2010

Zivi-Tagebuch 23.01.10 - Zivi ist man nicht um Karriere zu machen

Ich für meinen Teil bin Zivi um gar nichts zu machen. Ich schlage mich ganz gut. Ich verstecke mich vor jeglicher Arbeit und bin dabei ziemlich resistent gegenüber den unnachgiebigen Versuchen der alten Leute, die mittlerweile auch schon versuchen mich zum Arbeiten zu bewegen. Zumindest gibt es da ein paar solcher Spezies. Furchtbar. "Tut mir Leid, Frau O. Ich habe heute leider keine Zeit mit ihnen Mensch-ärgere-dich-nicht zu spielen." Ich muss mir eine dunkle Ecke suchen und Nichts tun, das lässt sich einfach nicht verschieben. 
Kaum geschrieben hört der gute Staddicc schon Stimmen aus der letzten Reihe: "Was ist an Mensch-ärgere-dich-nicht denn bitte so schlimm? Sei froh, Staddicc. Das ist doch eine angenehme Art sein Geld zu verdienen." Also erstens: Mein Geld bekomme ich auch so. Ich bekomme sogar noch mehr, wenn ich gar nicht zur Arbeit gehe. An dieser Stelle Danke an die Bürokratie meiner Dienststelle.
Und zweitens: Ihr habt alle keine Ahnung, was für eine schindende Maloche es ist, immer und immer und immer wieder mit dieser gelangweilten Frau O. dieses verschissene Spiel zu spielen, das ich schon als Kind gehasst habe. Ich stelle euch einfach mal kurz einen typischen Dialog mit Frau O. dar, bevor und nachdem ich mich zum Spielen habe weichkochen lassen:
Frau O.: "Mensch, das ist hier vielleicht langweilig."
Staddicc
: "Sie können doch etwas Fernsehen gucken oder lesen, Frau O. Außerdem gibt es ja schon in eineinhalb Stunden Mittag!"
- "Ach, ich würde so gerne einmal in die Stadt gehen. Aber das darf ich nicht, oder!?"
- "Nein besser nicht. Hinterher finden sie nicht mehr zurück."
- "Ich finde doch hier hin zurück, ich bin doch kein Kind mehr" (Na ja, doch. Irgendwie schon, mittlerweile.)

Nun, ungefähr 10 Minuten später, in denen sie eine kleine Spur resistenter war als ich, hat sie mich überzeugt und wir spielen jenes Spiel direkt aus der Hölle:
Frau O.: "Ach am Sonntag kommt mich endlich mein Sohn besuchen, da freue ich mich schon."
Staddicc: "Das kann ich mir vorstellen, die drei Tage bis Sonntag werden auch sicherlich schnell rum gehen."
Da fragt ein alter Her vom Nebentisch, der sich schon beim Frühstück mit Frau O. unterhalten hat: "Wie lange sind sie schon hier?"
- "Och, ich weiß gar nicht so genau. So eine Woche." Ich wollte ihr nun nicht erklären müssen, dass sie erst seit einem Tag in der Pflege ist. Also habe ich es gelassen. Kein Wunder, dass ihr die Zeit so verdammt lang vorkommt.
Zurück zum Spiel: Nachdem Frau O. mittlerweile mehrmals betont hat, dass sie doch aus der Stadt zurückfinden würde, hat sie sichtlich Schwierigkeiten... Na ja, sagen wir mal zurück ins Spiel zu finden: "Ach Mensch, welche Farbe hatte ich denn jetzt? Diese hier, oder?"
- "Nein Frau O., das sind meine Figuren. Sie hatten die Gelben." ... "Und diese brauchen sie nicht mehr zu bewegen, Frau O. Diese Figuren sind schon im Ziel, sie müssen eine sechs Würfeln um mit den nächsten loslaufen zu können."
Und gerade weil Frau O. so ein wahnsinnig gutes Gedächtnis hat wiederholt sie sich nicht etwa. Nein, sie erwähnt die wichtigen Sachen einfach zweimal. Mindestens zweimal: "Und ich freue mich ja auch schon so, am Sonntag kommt mich endlich mein Sohn besuchen." Ich denke ihr könnt euch denken, wie das nun weitergehen würde, wenn sich der überaus tollerante Zivi nicht doch irgendwann verpisst um in einer ruhigen Ecke im Keller seinen unkontrollierten Wutausbrüchen zu fröhnen. Zur stilistischen Verdeutlichung der Langeweile dieser Situation und an alle Langsamdenker, also an alle Leser dieses Blogs inklusive seinem größten Fan, mir: Punkt, Punkt, Punkt.

Doch langsam, ganz langsam, fängt die ganze Geschichte an lästig zu werden. Es ist so langweilig, ich kann nachts nicht mehr schlafen. Wie denn auch, wenn ich an Arbeitstagen mehr Zeit im Bett verbringe als an einem ganzen Wochenende. Wenn ich bei der Arbeit in jeder freien Minute lesen würde, könnte ich die Bibel und die Tora vermutlich jeweils vorwärts und rückwärts aufsagen. Und da Gott das weiß ist er so gütig und schickt mir hin und wieder einen Engel namens Low in mein Stammhaus zur Aushilfe, wenn wir mal zu wenig Zivis sind (Ja ich weiß, das ist unlogisch. Zu wenig Zivis, wofür denn bitte zu wenig?!). Ok, weniger Gott schickt ihn mir, sondern mehr die Personaldienstleiterin, die die Dienstpläne macht. Aber wenn wir in einem evangelischen Altenheim arbeiten, wer ist dann ihr höchster Boss, na???Immer, wenn Low bei mir im Haus ist lassen wir zwei tierisch die Sau raus!! Wir machen allen möglichen Scheiß zusammen um uns die Zeit zu vertreiben. Richtig abgefahrene Sachen, das könnt ihr mir glauben! Wir schlafen in der Dienstwohnung, fahren im Fahrstuhl hoch und runter oder treiben Späße mit Frau L. Ja ja, wir sind Schlingel

Dabei haben wir heute die Zeit so sinnvoll genutzt, wie sie ein Zivi nur nutzen kann. Wir haben uns frühzeitig in die Mittagspause verdrückt, die damit auf zweieinhalb Stunden erhöht wurde und haben uns gemütlich eine Shisha angemacht. Und während wir so auf dem Bett lagen und rauchten, bewunderten wir unseren wundervollen Pfandschrank. Ein Kleiderschrank,  mittlerweile randvoll mit ungefähr 15 Kisten Pfand, und zwar keine Limo. Unser Machwerk im Geiste des Zivilifestyle. Ab jetzt sind wir Künstler, wird Zeit unser Kunstwerk offiziell zu machen, damit wir einen Künstlernamen auf unsere Persos bekommen. Aber dafür fehlen uns noch ein paar Kisten, schließlich haben wir noch einen zweiten Kleiderschrank im Zimmer stehen, der so leer einen viel zu verschreckenden Anblick bietet. Angestoßen wurde natürlich um diesen göttlichen, oder vielleicht eher blasphemischen Moment (wie gesagt: ein evangelisches Altenheim mit solchen Zivis... Wir sollten uns schämen, stattdessen empfinden wir eher sowas wie Stolz) komplett zu machen, mit frischem, alkoholhaltigem Heineken. Was für eine Mittagspause!
Am Nachmittag liehen wir uns für eine wichtige, dienstliche Spritztour in eigener Sache einen der Tagespflegebullis aus. Oder besser: Wir waren einkaufen mit dem Firmenwagen. Low hatte noch einen Gutschein von NakedDevil für eine Kiste Bier, die für´s nächste Wochenende gekauft gekauft werden wollte. Gesagt, getan. Also ab zum Getränkemarkt und die Kiste eingeladen. Später stellte sich heraus, dass NakedDevil am kommenden Wochenende leider keine Zeit hat um den Kasten gemeinsam mit uns zu trinken, obwohl wir es ihm versprochen haben. Aber wir sind Zivis, das heißt wir sind wesentlich sozialer als seinereins beim Bund. Also werden wir uns überwinden müssen und diesen Kasten für das übernächste Wochenende aufzuheben und für das kommende einen Neuen zu kaufen. Ob das was wird, wir trinken ja eigentlich gar nicht.

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