Donnerstag, 29. April 2010

The highway to the dangerzone - Die kürzeste Ewigkeit der Welt

Wenn du aus 4000 Metern Höhe völlig ungebremst dem Erdboden entgegenrauchst ist dein Kopf leerer als bei einem Orgasmus

Letzten Samstag war es so weit: Die Luft war frei von Asche und so frei von Wolken wie es eben ging. Die Sonne strahlte und ich bin mit einem breiten Grinsen aufgestanden. Bevor ihr euch fragt: Besagtes Grinsen war auch einige Stunden später noch da, als ich vor der geöffneten Luke im Flugzeug stand. 
Nachdem ich mich am Flugplatz angemeldet hatte, kam nach einer Weile ein recht maskulin wirkender Typ und erklärte mir und einem weiterem Tandemspringer wie wir uns in der Luft zu verhalten hätten. Ich wusste sofort, dass ich nur unter ihm hängen wollte. So kam es dann auch, er stellte sich mir noch einmal vor und gab mir anschließend meinen Overall. Außerdem bekam ich noch eine Lederkappe, die in SM-Kreisen sicherlich einige schmachtende Blicke geerntet hätte.
In einer "Top Gun"-Atmosphäre sehen wir unser Flugzeug landen. Wir setzten uns schließlich hinter die Piloten. Mein Tandempartner erzählte mir das Ding hätte 1000 PS, das sollte uns definitiv in die Luft bringen. Auf geht´s, die Dangerzone wartet! 

Die Kiste ruckelt gewaltig und ich hoffe nur, dass wir bevor wir abstürzen wenigstens die 4000 Meter knacken. Aus geringerer Höhe will ich nämlich auf keinen Fall herunterstürzen, schließlich habe ich dafür bezahlt! 
"Das Fliegen ist schon Wahnsinn, was!?", meint mein Partner und er hat Recht! Wenn man sich erstmal an den Gedanken gewöhnt hat an einem Fallschirm und nicht in einem brennenden Flugzeug auf die Erde zurückzukommen, ist es großartig. Von oben sieht sie wunderschön aus, unsere Welt. Auch, wenn die Welt hier oben unmöglich mit der da unten zu vergleichen ist. Alle Sorgen, Probleme und Kriege sind auf dem Boden geblieben, weit weg und unerreichbar weit entfernt. Hier oben fehlt mir absolut nichts. Ich fühle mich heimisch, diese Welt passt perfekt in mein Leben.
Alle im Flugzeug sind schon mehrere Male gesprungen, außer mir. Dennoch durchbricht nur der Motor der Maschine das Schweigen. Jeder hier scheint in sich gekehrt, vielleicht etwas nervös oder zumindest aufgeregt. Es ist jedoch eine Nervosität, die erfüllt ist von Vorfreude auf pures Glück und dem Gedanken an Freiheit. Noch ein letztes Mal tief durchatmen bevor es losgeht. Und dann heißt es Genießen! denn nach einem Fingerschnippen wird es vorbei sein und die Erde hat uns wieder. Oder im Fall meines Partners heißt es eher werbewirksam noch ein letztes Snickers essen, bevor es losgeht. Wenn´s mal wieder länger dauert...
Er fragt mich: "Wenn du willst können wir ein paar Überschläge machen nach dem Absprung!?" 
"Ja klar!", sage ich. Ich wusste im ersten Moment nicht gleich, was ich antworten sollte. Aber dann dachte ich mir: "Wenn schon, dann richtig!" Als nächstes denke ich mir nur noch: "Geil!" 
Es ist soweit, meine Partner schnallt mich an sich fest (Na, wen von euch erregt das gerade nicht??). Die Luke des öffnet sich und es wird noch viel lauter. Der Motor ist jetzt fast nicht mehr zu hören, nur noch der Luftzug. Der Rausch setzt ein... Nacheinander springen die einzelnen Kollegen ab, bis wir schließlich die Letzten sind. Ich muss die Beine hochnehmen und hänge nun nur noch an meinem Partner. Wir, beziehungsweise er bewegt uns vor die Luke. 
Ich sehe große Flecken auf der Erde und kleine Straßen. Alles sieht aus wie gemalt. Es ist ein wenig unscharf, Konturen kann man nicht genau ausmachen. Man weiß, dass es real ist, dennoch ist es völlig unvorstellbar, dass dies tatsächlich die Erde ist. Und, dass man ziemlich am Arsch wäre, wenn man ungebremst dort unten ankommt. Wie in einem wahnsinnig realistischen Simulator, oder in einer surrealistischen Realität. 
Es kommt ein Gefühl der Aufregung in mir hoch. Ich habe noch nie so aufgeatmet und fühlte mich mit einem Mal so leicht. Wie gerne hätte ich meine Gesichtszüge vor Euphorie entgleisen sehen. Doch bevor ich realisiere, dass wir direkt am Abgrund stehen, stehen wir nicht mehr am Abgrund. Wir fallen, fliegen, schweben.
Für einen kurzen Augenblick wird das Flugzeug "unter mir" klein, dann sehe ich wieder die Erde. Die Zeit steht still... Für eine Ewigkeit, die kaum einen Atemzug währt. Diese Ewigkeit ist ein Universum mit tausenden Welten. Ich bin leer, fassungslos. Ich breite meine Arme aus und höre ein lautes Rauschen. Aber befinde ich mich überhaupt in Bewegung oder hat die Welt plötzlich aufgehört sich zu drehen? Ich kann es nicht sagen. An meinen Händen und in meiner Lunge spüre ich diese Luft, so frisch und kalt als wäre sie noch nie geatmet worden. 
Plötzlich erfolgt ein kurzer Ruck und wir bewegen uns wieder langsam. Der Fallschirm ist offen, die Uhr läuft weiter. Und es herrscht Stille, richtige Stille. Pur und einzigartig. Selbst der, der nicht an Gott glaubt, wird hier oben in dieser wunderbaren Stille die Engel flüstern hören. 
Mein Partner gibt mir die Steuerungsleinen in die Hand und sagt mir, was ich tun muss. Es funktioniert genauso, wie man es aus filmen kennt. Ziehe ich an beiden werden wir langsamer, ziehe ich an einer, fliegen wir eine scharfe Kurve bis hin zur Schraube. Mal gleiten wir langsam, mal torkeln wir so wie in einem Korkenzieher gen Erdboden. Es ist faszinierend zu sehen, wie die Konturen klarer werden. Das Gemälde wird langsam zum Foto.
Schließlich sind wir etwa 40 Meter über dem Boden, nach einer Höhe von 4000 Metern sehen die allerdings höchstens aus wie zehn Meter. 20 Meter, 10 Meter, 5 Meter... Ich ziehe meine Beine an und wir landen sanfter als erwartet. Mutter Erde hat uns wieder, Vater Himmel fehlt uns jetzt schon. 

Und nun? Nun haben wir den Salat! Ich habe damit angefangen. Nun gibt es kein Zurück mehr wie bei einem Hai, der Blut gewittert hat. Das nächste Mal werde ich vermutlich alleine springen. Und dieses nächste Mal wird kommen.

I believe I can fl... - PATSCH!!!

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